RC-Segeln

Deutsche Klassenvereinigung und Ausschuss RC-Segeln

Verdrängungsschwerpunkt Längsstabilität

Mit dem folgenden Kapitel möchte ich auf einige bei Modellsegelbooten besonders wichtige Probleme eingehen, die sehr oft nicht erkannt oder auch falsch behandelt werden.

Der Verdrängungsschwerpunkt (VSP) ist der Volumenschwerpunkt des sich unter der Wasseroberfläche befindlichen Teils des Schiffskörpers. Die Resultierende aller Auftriebskräfte greift in diesem Punkt senkrecht zur Wasseroberfläche an. Während bei den meisten Schiffstypen die Lage des VSPs bei in Fahrt befindlichem Schiff nahezu konstant bleibt, befindet sich der VSP beim Segelboot in ständiger Bewegung, zum einen bedingt durch den Winddruck und der daraus resultierenden Krängung, zum anderen durch wellenbedingte Stampfbewegungen. Auf diese Wanderung des VSPs kann man nun bei der Konstruktion erheblichen Einfluss nehmen:

  • a) durch die Wahl entsprechender Spantformen (speziell im Heckbereich);
  • b) durch die Wahl eines günstigen Längen- zu- Breiten-(L/B)Verhältnisses;
  • c) durch die Verteilung der Verdrängung über die Schiffslängsrichtung.

Zunächst jedoch zur Frage, welche Auswanderungen des Verdrängungsschwerpunktes erwünscht sind oder nicht. In Schiffsquerrichtung sollte der VSP bei Krängung möglichst weit nach Lee auswandern. Dies führt zu einer Erhöhung der Stabilität durch Vergrößerung des Hebelarmes, an dem die Gewichtskraft G angreift. Erreichen kann man dies durch die Wahl einer geeigneten Spantform in Kombination mit entsprechender Breite. Dazu jedoch im nächsten Kapitel ausführlich.

1983_mjkonstr_13Die vertikale Lage des VSPs ist von geringer Bedeutung, da Verschiebungen in dieser Richtung sich nur wenig auswirken, denn der vertikale Abstand zwischen VSP und Gewichtsschwerpunkt ist, bedingt durch die übliche Bauart mit langen Kielflossen und daran befestigten Bleibomben, ohnehin sehr groß.

Sehr wichtig ist jedoch die Lage des Verdrängungsschwerpunktes in Schiffslängsrichtung.

a) Bei aufrechter Schwimmlage

Aufrecht schwimmt eine Jacht lediglich bei sehr wenig Wind bzw. auf „Vor-Wind-Kurs". Gerade das auf dem „Vor-Wind- Kurs" bei stärkerem Wind auftretende „Tauchen" oder auch Unterschneiden des Vorschiffs, wie es jeder Modellsegler sicherlich schon erlebt hat, ist eine Eigenschaft, die sehr oft mit den falschen Mitteln bekämpft wird. Dazu gehört vor allen Dingen, den Mast und die Flosse mehr nach achtern zu setzen. Eine rein gefühlsmäßige Entscheidung, die letztlich auch ohne Wirkung bleibt. Wirklich verbessern kann man das beschriebene Verhalten nur durch eine Zurückverlegung des VSPs, denn dieser stellt in guter Näherung den Drehpunkt der Jacht dar. Genau genommen trimmt das Schiff in Längsrichtung um den Schwerpunkt der Konstruktionswasserlinienfläche. Dieser Punkt befindet sich jedoch fast immer in der Nähe des VSPs. Bei den relativ kleinen Trimmänderungen, die hier vorliegen, reicht es, den Drehpunkt für alle nachfolgenden Betrachtungen in seiner Lage konstant zu halten.

In Bild 6 habe ich die Wirkungslinien und Hebelarme der wirkenden Kräfte dargestellt. Die Segelkraft F wirkt parallel zur Konstruktionswasserlinie mit dazu senkrechtem Hebelarm h. Der Kraft F entgegen wirkt der Auftrieb A, welcher größenmäßig gleich dem Schiffsgewicht ist und im Verdrängungsschwerpunkt für die vertrimmte Schwimmlage VSPT angreift. Der zugehörige Hebelarm ist der Abstand zwischen VSPT und Drehpunkt X, dem VSP für die unvertrimmte Schwimmlage.

Es bildet sich also folgendes Momentengleichgewicht aus:

F x h = A x b

1983_mjkonstr_14Man sieht deutlich, dass eine Zurückverlegung des Mastes überhaupt keine Wirkung zeigt, denn der Hebelarm h bleibt in seiner Größe unverändert. Die gleichzeitig für ausgeglichenere Segeleigenschaften erforderliche Zurückverlegung der Flosse bewirkt nur wenig, da das Kielvolumen den VSP und damit den Drehpunkt nur sehr gering nach achtern verschiebt. Welche Auswirkungen jedoch die konstruktiv festgelegte Zurücknahme des VSPs oder anders, ein großer Abstand zwischen Bug und VSP hat, möchte ich vereinfacht an zwei Blockmodellen zeigen (Bild 7).

Aufgrund der rechteckigen Abmessungen liegt der VSP bzw. der Drehpunkt auf halber Länge, nur ist das eine Blockmodell 20 cm und das andere 25 cm lang. Der 2. Fall würde also einem größeren Abstand zwischen Bug und VSP entsprechen. Im Fall 1 wird jetzt ein Trimmwinkel von 3° erzeugt, dadurch entsteht ein aufrichtendes Moment von 49,8 pcm. Dieses gleiche aufrichtende Moment wird im Fall 2 schon bei 1,5° Trimmwinkel erreicht!

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es kommt also darauf an, die eintauchenden Keilstückvolumina (schraffiert), welche letztlich nichts anderes als den Reserveauftrieb des Vorschiffs darstellen, möglichst zu strecken. Wie man den VSP zurückbringt, ohne auf günstige hydrodynamische Eigenschaften zu verzichten, dazu mehr in einem späteren Kapitel.

Eine kurze Anmerkung noch zum Angriffspunkt der Segelkraft F. Diese Kraft greift im Druckpunkt des Segels an, dessen Lage von der Geometrie des Segels und damit auch der Masthöhe abhängig ist. Ab einer gewissen Windstärke nützt nämlich das sorgfältigst konstruierte Boot nichts mehr, wenn die Masthöhe - auf die Länge des Bootes bezogen - einfach zu groß wird. In dem Fall hilft dann eben nur eine Verkleinerung des Riggs, um den Segeldruckpunkt nach unten zu bringen und damit den Hebelarm h zu verkleinern.

Erwähnen möchte ich auch noch, dass das hier beschriebene Problem keineswegs nur für Modellsegeljachten typisch ist. So hatte Dehler-Jachtbau mit der vielleicht aus der Zeitschrift „Yacht" oder ähnlichen Publikationen bekannten Jacht EXPERIMENTA, einem 1-Tonner, der aus der „dB 1", einem 3/4-Tonner hervorgegangen ist, ähnliche Probleme, da man auch hier den Mast verlängert hatte, ohne für ausreichende Längsstabilität des Rumpfes gesorgt zu haben.

b) VSP bei gekrängter Schwimmlage

1983_mjkonstr_15In der gekrängten Schwimmlage (Winkel ζ) wird die Wanderung des VSPs hauptsächlich durch die Form des Schiffsrumpfes beeinflusst. Dabei wandert der VSP, bedingt durch das im Vergleich zum Vorschiff immer völligere Hinterschiff, nach achtern. Da der Gewichtsschwerpunkt in Längsrichtung konstant bleibt, führt dies zu einer vorlichen Trimmänderung so lange, bis der VSP und der Gewichtsschwerpunkt G wieder senkrecht übereinander liegen (Bild 8). Bei im Heckbereich sehr breiten Schiffen, wie es zum Beispiel für die Gleiteigenschaften erwünscht ist, ist die Vertrimmung bzw. das Tauchen des Vorschiffs stärker ausgeprägt als bei im Heckbereich stärker verjüngten Schiffen.

Um die Auswirkungen der beschriebenen Vertrimmung darzustellen, muss ich zunächst etwas über den Lateralplan bzw. den Lateraldruckpunkt sagen. Mit Lateralplan bezeichnet man die seitlich projizierte Fläche des Unterwasserschiffs einschließlich Kielflosse und Ruder. Im Druckpunkt dieser Flächen greift die der Abdrift entgegenwirkende Seitenkraft R an, welche wiederum abhängig ist von der Anströmrichtung und Anströmgeschwindigkeit des Rumpfes sowie der Kielflosse. Die Lage des Druckpunktes kann zur Vereinfachung als identisch mit der geometrischen Schwerpunktslage des Lateralplans aufgefasst werden. Der Anteil des Rumpfes am Aufbau einer Seitenkraft R wird für eine M-Jacht um die 20 % liegen, demzufolge resultieren etwa 80 % Seitenkraft aus der Kielflosse, wobei zu beachten ist, dass mit anwachsender Krängung die Anströmung der Flosse zunehmend durch den Rumpf nachteilig beeinflusst wird und somit der Seitenkraftanteil des Rumpfes wächst.

1983_mjkonstr_16Gehen wir zurück zur Ausgangsposition, und nehmen wir an, dass im ungekrängten Zustand die Lateraldruckpunkte von Rumpf und Kiel nahezu übereinander liegen. Sobald die Jacht krängt, findet die erwähnte Wanderung des VSPs statt, in deren Folge das Vorschiff stärker eintaucht und somit der Lateraldruckpunkt des Rumpfes nach vorne wandert. Gleichzeitig verschiebt sich auch der Gesamtlateraldruckpunkt von Rumpf und Kiel nach vorne (Bild 9). Der ursprüngliche horizontale Abstand A zwischen Segeldruckpunkt und Lateraldruckpunkt verkürzt sich, und die Jacht wird luvgierig. Die Forderung an den Konstrukteur ist also, den Gesamtverdrängungsschwerpunkt bei Krängung möglichst auf der gleichen Längenkoordinate zu halten bzw. nur gering auswandern zu lassen.

Die hierzu erforderlichen Berechnungen sind ausgesprochen zeitaufwendig, solange man sie von Hand ausführen muss. Als Schiffbaustudent an der TH Aachen stand mir für meine im Winter 81/82 konstruierte M-Jacht die Rechenanlage der TH zur Verfügung, womit sich die Ausführung der Rechnungen doch stark verkürzte. Zu welchen Ergebnissen, die Schiffslinien betreffend, diese Rechnungen geführt haben, dazu an anderer Stelle.